Mein G8-Verfahren in Rostock

Nächste Woche Montag, am 14.09.2009 um 9:30 Uhr, findet meine Verhandlung vor dem Landgericht in Rostock statt.

Einige von euch wussten bereits von dieser Angelegenheit, für andere mag das alles noch neu sein. Ich hatte mich damals zunächst dafür entschieden, den Fall nicht öffentlich zu machen und nur mit einem kleineren Kreis von Menschen zu besprechen. Aufgrund der Brisanz des Themas möchte ich nun aber doch mehr Leute einweihen und raus damit an die Öffentlichkeit gehen. Solange das Verfahren läuft, werde ich auf Details zu den Tatvorwürfen nicht weiter eingehen und auch versuchen, mich möglichst emotionslos über den Fall zu äußern.

Die Fakten in Kürze

Mir wird vorgeworfen, bei der Demonstration gegen den G8-Gipfel am 02.06.2007 im Rostocker Stadthafen einen Stein auf Polizisten geworfen, massiven Widerstand bei meiner Verhaftung geleistet und gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben.

Vor dem Amtsgericht Rostock fanden im Januar und Februar 2008 insgesamt 4 Verhandlungstage statt. Dort wurde ich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu 7 Monate und 2 Wochen auf 2 Jahre Bewährung verurteilt, außerdem zur Zahlung von 1.000 Euro an eine Einrichtung in Rostock. Natürlich muss ich die gesamten Kosten des Verfahrens übernehmen.

Meine Anwältin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, und am 14.09.2009 um 9:30 Uhr wird die Sache nun erneut in Rostock verhandelt, diesmal vor dem Landgericht, August-Bebel-Straße 15-20, Saal 006. Die Verhandlung ist öffentlich!

Gegen meine beiden Entlastungszeugen, die zum Zeitpunkt der angeblichen Tat permanent in meiner Nähe waren, wurde zwischenzeitlich ebenfalls ein Verfahren eröffnet: Ihnen werden Falschaussagen vor Gericht vorgeworfen.

Eine kleine Chronologie

Demonstration & Festnahme
Am 02.06.2007 nahm ich an der Demonstration gegen den G8-Gipfel in Rostock teil. Abends wurde ich im Stadthafen von einer Gruppe Polizisten überwältigt und festgenommen. Der Grund der Verhandlung entschloss sich mir erst aus dem Begleitschein, der mir bei der Einlieferung in die Gefangenensammelstelle vorgelegt wurde. Die Vorwürfe: Steinwürfe gegen Polizeibeamte, Vermummung und Widerstand bei der Verhaftung.

Von der GeSa nahm ich direkt Kontakt zum Ermittlungsausschuss und meiner Anwältin auf. Die Nacht verbrachte ich in Einzelhaft in einem „Käfig“. Morgens wurde ich einem Beamten vorgeführt und nach der erkennungsdienstlichen Behandlung in die Freiheit verabschiedet.

Anklage & Vorladung
Die Anklageschrift erreichte mich im September 2007. Dieser entnahm ich die genauen Tatvorwürfe – Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Im Dezember bekam ich die Ladung zur Hauptverhandlung am 07.01.2008 in Rostock. Ich konnte zwei Zeugen benennen, die während des ganzen Tages und vor allem auch in der Zeit der angeblichen Tat permanent an meiner Seite waren.

Im Vorlauf der Verhandlung habe ich versucht, weitere Zeugen zu finden, dazu unter anderem einen (anonymen) Aufruf auf netzpolitik.org gestartet, viel recherchiert, FotografInnen, Videomenschen und andere AktivistInnen sowie die Rote Hilfe kontaktiert.

Verhandlung in Rostock, Januar/Februar 2008
Insgesamt erstreckte sich das Verfahren auf 4 Verhandlungstage. Dem Richter reichten die Aussagen der Polizisten als Beweis meiner Schuld. Meinen Entlastungszeugen wurde nicht geglaubt. Der ursprüngliche Vorwurf des Landfriedensbruches wurde auf gefährliche Körperverletzung „herabgestuft“. Das Urteil bedeutet für mich eine eingetragene Vorstrafe und sehr hohe Kosten.

Berufung
Wir entschlossen uns, das Urteil so nicht zu akzeptieren und Berufung einzulegen.

Ende letzten Jahres wurden Verfahren gegen meine beiden Entlastungszeugen eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wertet ihr Bezeugen meiner Unschuld als Falschaussagen. Das Strafmaß für eine „Falsche uneidliche Aussage“ liegt bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Landgericht Rostock, 14.09.2009
Am kommenden Montag wird mein Fall vor dem Landgericht Rostock verhandelt. Ich freue mich über jegliche Unterstützung! Am meisten über persönlichen Beistand vor Ort in Rostock, gerne auch über Mobilisierung anderer UnterstützerInnen oder über Öffentlichkeit und Aufklärung über meinen Fall. Leider sind die Ereignisse um den G8-Gipfel aus dem Jahr 2007 nicht mehr sehr präsent in den Köpfen der Menschen und den Artikeln der Medien, so dass es schwierig werden könnte, Aufmerksamkeit zu erlangen.

Unterstützung
Die Gerichtskosten, die Kosten für Anwälte, Anreise der Zeugen etc. werden – auch aufgrund der vielen Verhandlungstage – mehrere tausend Euro betragen. Falls ich erneut schuldig gesprochen werde, bedeutet das neben der Vorstrafe auch noch eine sehr hohe finanzielle Belastung. Je nach Ausgang des Verfahrens wird es einen entsprechenden Unterstützungsaufruf und/oder eine Soliparty geben.

Unterstützungangebote oder Presseanfragen nehme ich gerne unter nicole [ätt] antischokke.de entgegen.


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